Lehre ist für mich ein Prozess der Vermittlung von Wissen und der Teilhabe an Erkenntnissen über Phänomene, an denen ein Erkenntnisinteresse besteht. Im akademischen Umfeld verbindet sich damit immer nicht nur ein Wissen vermittelnder, sondern auch ein Wissen schaffender Anspruch. Ausbildung ist ein wichtiger Begleiteffekt von akademischer Lehre, bleibt jedoch hinter ihrem genuinen Anspruch zurück: Aus ihrer institutionellen Verbindung mit der Forschung ist akademische Lehre ein wechselseitiger Prozess des Austausches und Überprüfens von Wissen mit dem Ziel des vertieften Verstehens.
Vorsprung im Wissen und formale Autorität begründen eine erhöhte Verpflichtung und Bereitschaft, auf Fragen und Argumente einzugehen und Antworten zu suchen: Im Austausch von Fragen und Antworten ereignet sich auch eine Dimension der "Ver-Antwortung" des Lehrenden.
Die Erfahrungsräume von Lehre sind vielfältig: Begegnungen in Lehrveranstaltung und Prüfung im akademischen Umfeld werden zwar als zentrale Orte von Lehre gesehen, doch stehen für mich auch alle anderen Wege der Dissemination von Wissen und seiner Überprüfung - insbesondere auch jede Art der Publikation - unter dem Anspruch der Lehre: Nicht das Verkünden scheinbar gesicherter Botschaften von einer Position formaler Autorität, sondern das abwägend-begründete Entwickeln von Aussagen als Ausgangspunkt argumentativer Überprüfung im diskursiven Prozess sind Wesensmerkmale von Lehre.
Außerhalb des akademischen Bereichs sind für mich auch alle Arten von Vorträgen, die Tätigkeit in der außeruniversitären Bildungsarbeit und die massenmediale Kommunikation eines Wissenschafters als Teil der Lehre wichtig, um die Beziehung des Austausches zwischen Wissenschaft und Gesellschaft lebendig und wechselseitig fruchtbringend zu leben.